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Lernen in der Gruppe braucht einen Rahmen – Erfahrungen eines Trainers
Pro Gruppenarbeit. wb-web hat zwei Praktiker um ihre Einschätzung zu Gruppenarbeit gebeten. Pro oder Contra? Lesen Sie auch Gruppenarbeit: Frust vorprogrammiert!
Für viele Menschen ist Gruppenarbeit in Seminaren eine unangenehme Erfahrung. Statt die unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen der Gruppe zu nutzen, verbringen einzelne Gruppenmitglieder die Zeit mit Statusspielchen und Ablenkungsmanövern. Solch ein Verhalten zeigt, dass der Rahmen nicht gut gesetzt war. Es ist die Aufgabe des Seminarleiters, einen guten Rahmen für die Gruppenarbeit zu definieren, zum Beispiel mit „Wahr-Falsch-Karten“.
Seitdem ich Trainer bin, schätze ich Gruppenarbeit. Solche Einheiten bieten mir eine Pause und die Gelegenheit meine Stimme zu schonen. Ich gehe von Gruppe zu Gruppe und höre zu, was diskutiert wird. So erkenne ich schnell, welche Begriffe sitzen und welche ich noch nicht gut erklärt habe. Ich lerne neue Sichtweisen, neue Probleme und Akzente kennen. Das selbständige Arbeiten hilft beim Verarbeiten neuer Begriffe.
Die Firmen, für die ich arbeite, sind überwiegend im geschäftlichen Kontext unterwegs. Lernen in der Gruppe ist hier wichtig, denn unsere Seminare haben Änderungen in den Arbeitsabläufen zum Ziel. Eine Firma, die ein Training zum Thema Projektmanagement oder zur Dokumentenablage beauftragt, wünscht sich, dass die Mitarbeiter danach Projekte besser planen oder Dokumente gemeinsam ablegen. Je mehr Mitarbeiter am gleichen Training teilnehmen und je intensiver sie das Neue verarbeiten, desto mehr lohnt sich die Investition in ein gemeinsames Training.
Die Arbeit in Paaren oder Gruppen braucht einen Rahmen: Was ist konkret zu tun? Wer hat in der Gruppe welche Aufgabe? Wie viel Zeit haben wir? Nicht zu vernachlässigen sind die psychologischen Faktoren im Trainingsraum: Kann ich mich bei dieser Übung blamieren? Wie stehe ich vor den anderen da? Habe ich alles richtig verstanden?
Diese Gruppenübung funktioniert immer, weil es einfache, klare Anweisungen gibt. Die Gruppe ist zum einen fokussiert, weil sie das neue Thema interessiert. Viele bringen schon Vorwissen mit. Zum anderen gibt es eine klare zeitliche Beschränkung. Das bedeutet, dass die Gruppe nicht viel Zeit mit Nebensächlichkeiten verlieren darf, um rechtzeitig fertig zu werden.
Diese Gruppenübung hat einen positiven Nebeneffekt. Wenn jemand zu Beginn des Trainings anfängt zu reden, wird er sich auch in der übrigen Zeit trauen, etwas zu sagen. Das Diskutieren in der Gruppe ist wichtig, um ein gemeinsames Verständnis der wesentlichen Begriffe aufzubauen. Wenn die Gruppe die fundamentalen Konzepte verstanden hat, ist sie schnell in der Lage, die neuen Kompetenzen auf ihre konkrete Situation zu anzuwenden. Darum geht es ja bei Trainings im geschäftlichen Kontext.
Die Alternative wäre, dass sich nur eine Person mit der neuen Fachkompetenz auseinandersetzt und die Arbeit für die Gruppe später vorstrukturiert. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass dies nicht funktioniert. Ein gemeinsames Verständnis macht die Umsetzung viel einfacher. Deswegen ist es immer besser, bei wichtigen Themen ganze Teams zu trainieren.
Die Idee zu den "Wahr-Falsch-Karten" haben wir aus Sharon Bowmans „Training from the back of the room“ übernommen. Bowman, S. L. (2008): Training From the Back of the Room!: 65 Ways to Step Aside and Let Them Learn. New York: John Wiley & Sons.
Jan Fischbach ist Organisationsberater bei der Common Sense Team GmbH und Trainer für Scrum Events (HLSC GmbH). Er schreibt regelmäßig auf teamworkblog.de.
CC BY SA 3.0 DE, by Jan Fischbach für wb-web (04.11.2015), letztmalig geprüft am 22.05.2023