Bildungsarbeit mit erwachsenen Geflüchteten
Erwachsenenbildung als Flüchtlingshilfe: Volkshochschulen, Anbieter von Sprachkursen, Bildungsberatungsstellen – im November 2015 entsteht dieses Dossier, als Einrichtungen der Erwachsenenbildung mit der großen Zahl neu angekommener Menschen direkt konfrontiert sind. Geht es um Ansätze zur Integration, fallen immer wieder die Stichworte „Sprache“ und „Bildung“ als Schlüssel für ein schnelles und sozialverträgliches Ankommen der Menschen in der neuen Umgebung. Wie reagieren die Akteure der Erwachsenenbildung auf diese Herausforderung? Welche Lösungsansätze haben Sie bereits entwickelt? Und wie sieht die Situation in der Praxis, in den Einrichtungen aus? Mit dem Ukraine-Krieg hat das Dossier eine neue Aktualität gewonnen, die uns alle sehr betroffen macht und in der wir nach Handlungsmöglichkeiten suchen. Deshalb greift die wb-web Redaktion das Thema neu auf und ergänzt das Dossier kontinuierlich mit Kursmaterialien zum Thema Flucht.
Vor allem Sprach- und Integrationskurse stehen im Zentrum der Flüchtlingshilfe. Der Markt der für solche Kurse qualifizierten Lehrkräfte ist inzwischen aber leer gefegt. Zum einen verfügen nicht genug Lehrende über die benötigte Zusatzausbildung “Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Fremdsprache“. Der Deutsche Volkshochschulverband (DVV) schlägt deshalb vor, auch „Quereinsteiger“ zu qualifizieren. Zum anderen fehlt eine angemessene Vergütung. Dies oder auch eine Festanstellung wären nach Ansicht des DVV Anreize für Lehrende, sich in Integrationskursen zu engagieren. Dieser Anreiz ist notwendig, denn die Volkshochschulen konkurrieren zurzeit mit den allgemeinbildenden Schulen, die Lehrkräfte für die Sprachförderung einstellen. Da hier bessere Entgelte geboten werden, wandern Dozentinnen und Dozenten von den VHSen ab.
Experten für die Vermittlung von Deutschkenntnissen und Orientierung für Migranten sind die Volkshochschulen. Rund 40 Prozent der Integrationskurse, dem vom Bund geförderten Sprachkursangebot, werden von Volkshochschulen organisiert. Bisher galten die Kurse als Erfolgsmodell. „Doch jetzt, wo hunderttausende Flüchtlinge zeitnah mit Kenntnissen der deutschen Sprache, gesellschaftlichem und kulturellem Basiswissen versorgt werden müssen, droht das System zu kollabieren“, schreibt Ulrich Aengenvoort, Direktor des Deutschen Volkhochschul-Verbandes (DVV) in der verbandseigenen Zeitschrift dis.kurs (Ausgabe 4/2015). Es fehlen nicht nur Dozenten, sondern auch Räume für die Kurse, von denen nach Berechnungen von Experten 2016 doppelt so viele wie im vergangenen Jahr angeboten werden müssten, um die Nachfrage zu decken. Der Bund, so Aengenvoort, muss mehr Geld investieren, damit die Integrationskurse weiter ihre Aufgabe erfüllen können: Schnelle Integration in Arbeit und Gesellschaft. Aengenvoort fordert zudem, dass innovative Lern- und Bildungsformate mit digitalen Medien zum Einsatz kommen müssen.
Unterstützung für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer
Ein Beispiel für die vielen Initiativen, die sich um die Fortbildung der ehrenamtlich Engagierten in der Flüchtlingsarbeit kümmern, ist die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bonn/Rhein-Sieg. Bei ihrem täglichen Engagement sind die Helferinnen und Helfer mit Situationen und Fragen konfrontiert, die sie belasten können. Hier soll eine Veranstaltungsreihe mit Vorträgen helfen; Themen sind etwa asyl- und aufenthaltsrechtliche Fragen aber auch Hintergrundwissen zum Islam oder Informationen über Fluchtgründe aus Syrien und dem Irak.
Peter Sieler, der für die AWO Bonn/Rhein-Sieg die Fortbildungsreihe „Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit“ zusammengestellt hat, betont, dass diese Unterstützung der freiwilligen Flüchtlingshelferinnen und -helfer sehr wichtig ist. Der Umgang mit zum Teil traumatisierten Menschen hinterlasse Spuren. Sieler plant für 2016 neben Hilfen für die Praxis im Umgang mit Menschen aus einer anderen Kultur auch Veranstaltungen, die zum Austausch unter den Helfenden, zur Reflexion der eigenen Arbeit dienen sollen.
Sprachbegleitung einfach machen!
Viele erwachsene Geflüchtete sprechen kein oder nur wenig Deutsch. Ausreichende Deutschkenntnisse spielen eine zentrale Rolle bei der Integration in Arbeit und Gesellschaft. Von Ehrenamtlichen bereitgestellte Angebote zur Sprachbegleitung sind eine wichtige Unterstützung im Integrationsprozess. Pädagogisches Grundwissen und Orientierung in der Vielfalt der Lernmaterialien für Deutsch als Fremdsprache gehören zu den zentralen Herausforderungen, die den Ehrenamtlichen hierbei begegnen. Das Dossier Sprachbegleitung einfach machen! hilft Ehrenamtlichen bei der Entwicklung ihrer Deutschlernangebote und hält einen Werkzeugkoffer für Ehrenamtliche bereit, damit die Begegnung mit den Lernenden menschlich befriedigend, pädagogisch durchdacht und sprachlich ergiebig ist.
Kompetenzen in der Beratung erfassen
Zur Integration gehört vor allem auch die Möglichkeit, eine Arbeit zu finden. Mit Angeboten zur Beratung und Berufsvorbereitung tragen Einrichtungen der Erwachsenenbildung zum Beispiel dazu bei, dass Flüchtlinge ihre Berufsabschlüsse anerkannt oder Kompetenzen erfasst werden.
Einen starken Anstieg bei der Nachfrage nach Beratung verzeichnet etwa Elisabeth Schmeinck von der Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft der Stadt Bocholt (EWIBO). Die EWIBO sorgt nicht nur für Notunterkünfte für Flüchtlinge in der Stadt, sondern bietet als „Beratungsstelle zur beruflichen Entwicklung“ des Landes NRW unter anderem Beratung zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen. Die Erfassung informell erworbener Kompetenzen gehört auch zum Angebot. Zu Elisabeth Schmeinck kommen Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen: „Manchmal läuft die Verständigung auf Englisch, manchmal mit Händen und Füßen oder die Ratsuchenden dolmetschen untereinander. Aber am Ende einer Gruppenberatung haben alle 14 Teilnehmer ein Profil erstellt.“ Aufgrund dieser Erfahrungen sagt Elisabeth Schmeinck: „Das Wichtigste ist nicht die Sprache, sondern die interkulturelle Kompetenz.“ Beraterinnen und Berater sollten zum Beispiel verstehen, wieso Termine mit Migranten nicht so klappen wie mit Menschen aus Deutschland. Außerdem ist für Schmeinck entscheidend bei einer erfolgreichen Beratung, dass der Berater oder die Beraterin gut vernetzt ist, etwa mit dem örtlichen Jobcenter oder Anbietern für Weiterqualifikation. „So können wir den Menschen helfen, hier schnell Fuß zu fassen“, sagt Schmeinck.
ProfilPASS in Einfacher Sprache
Organisationelle Maßnahmen
Integration in einer heterogen zusammengesetzten Gesellschaft – das ist ein Thema, mit dem sich die Akteure in der Erwachsenenbildung schon länger beschäftigen. Wie kann interkulturelle Öffnung in Einrichtungen der Erwachsenenbildung umgesetzt werden? Was bedeutet dies für die Entwicklung von Programmen und Personal? Wie können Fachkräfte mit Migrationsgeschichte im Berufsfeld Erwachsenenbildung eingesetzt werden? Das Heft „Migration“ der DIE Zeitschrift für Weiterbildung, Ausgabe 2/2015 beleuchtet diese Themen.
Das Netz der Initiativen
Die vielen Helferinnen und Helfer, die sich vor Ort für Flüchtlinge engagieren, nutzen das Internet zur Koordinierung ihrer Arbeit. Auch Erwachsenenbildner können für die Bildungsarbeit mit Flüchtlingen auf digitale Angebote zugreifen. Stichwort ist hier Open Educational Resources (OER), frei im Netz für jeden verfügbare Unterrichtsmaterialien, die kostenfrei heruntergeladen, verändert und verteilt werden können. Eine Zusammenstellung freier und offener Lernmaterialien für Flüchtlinge befindet sich bei der „Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet“ im Aufbau: hier können entsprechende Materialien heruntergeladen und eingestellt werden.
Förderprogramm "Integration durch Qualifizierung (IQ)"
Auf dem Informationsportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen finden Migranten entsprechende Qualifizierungsangebote im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“. Mit einer erfolgreich absolvierten IQ Qualifizierung können Teilnehmer die volle Anerkennung ihrer ausländischen Berufsqualifikation erhalten.
Den vollständigen Artikel finden Sie hier.
Blogposts
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Erfahrungsberichte
Hundert Mal wiederholen und nicht ausrasten
Interview mit Marlien Meir über ihre Erfahrungen als Kursleiterin in einem Deutschkurs für Geflüchtete
„Nicht Bach, sondern Bauch heißt das Körperteil“, korrigiert Marlien Meir ihre Teilnehmenden im Kurs „Deutsch für Geflüchtete am Nachmittag“ an der Volkshochschule (VHS) Gütersloh. 19 Geflüchtete sind erschienen, um mit der Sprachlehrerin die deutschen Begriffe für Körperteile zu üben und auch die für Obst- und Gemüsesorten kennenzulernen. Finanziert von der örtlichen Bürgerstiftung findet seit Februar Deutschunterricht in drei Kursen mit den Sprachniveaus „schwächer“, „mittel“ und „fortgeschritten“ an der VHS statt.
Eine hohe Bereitschaft und Motivation ist vorhanden
„Deutschunterricht für Flüchtlinge ist eine hochmotivierende und sehr befriedigende Tätigkeit“, sagt Gabi Portz-Wagner, Community Mitglied bei wb-web. Seit 2015 hat sie in unterschiedlichen Formen Deutsch unterrichtet. Hier berichtet sie von Ihren Erfahrungen mit der Zielgruppe.
Deutsch unterrichten als Ehrenamtler – geht das?
„Nicht nur didaktische Befähigung, auch Empathie, Geduld und Freude helfen, wenn man Flüchtlingen Deutschunterricht geben will“, so Carlo Klauth, der sich als ehrenamtlicher Deutschlehrer versucht hat. Trotz Bedenken, ob er dazu überhaupt in der Lage ist, hat er es ausprobiert und zu seiner eigenen Freude festgestellt, dass es funktioniert.
Handlungsanleitungen
Kompetenzkarten für die Potenzialanalyse in der Migrationsberatung
Ziel der Potenzialanalyse in der Migrationsberatung ist die Erstellung eines ersten Kompetenzprofils. Auf Grundlage der hier erworbenen Erkenntnisse folgt im Anschluss eine gezielte Beratung und ggf. eine vertiefende Kompetenzanalyse bei Agenturen für Arbeit und in Jobcentern.
Informell Deutsch lernen mit Facebook
Eine Umfrage unter neuseeländischen Studierenden offenbart das Potenzial des sozialen Netzwerks für den Fremdsprachenerwerb. Soziale Medien wie Facebook, Instagram oder Twitter dienen nicht nur der Kommunikation mit Freunden, sondern tragen auch zum informellen Lernen bei.
Arbeitsblätter mit Tutory erstellen
Word war gestern: Das kostenlose Tool Tutory erleichtert Lehrkräften das Erstellen von Arbeitsblättern. Die mit Tutory erstellten Materialien stehen unter einer Creative-Commons-Lizenz als Open Educational Resources (OER) für andere Lehrende zur Verfügung und können mit einem Baukastensystem angepasst werden.
Linklisten
Buchvorstellung
wb-web-Material für die Bildungsarbeit mit Geflüchteten
Auf wb-web gibt es zahlreiche Materialien, die nicht originär für die Bildungsarbeit mit erwachsenen Geflüchteten gedacht sind, jedoch durchaus auch in diesem Zusammenhang eingesetzt werden können. Sicherlich kann nicht alles eins-zu-eins adaptiert werden. Wir denken aber, dass die folgenden Materialien in abgewandelter Form nützlich sind: Zum Beispiel können die "Memo-Schnecke" oder ein Lerntagebuch auch mit Bildern und Zeichnungen gefüllt werden; ein Lernbiogramm, zugeschnitten auf die Lernsituation im Heimatland, kann die Stationen des Lernens verdeutlichen; eine Checkliste, die eigentlich für das intergenerationelle Lernen entwickelt wurde, kann übertragen werden auf die Arbeit mit Migranten ...