Handlungsanleitung
Das eigene Seminar gruppendynamisch starten
Ob bei einer kleinen Gruppe eines dreistündigen Vortrags oder im Rahmen einer mehrmaligen oder ganztägigen Schulung – die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Fortbildung (VHS, Firmenseminar etc) möchten das Gefühl haben, eine Atmosphäre vorzufinden, die organisiertes Lehren und dadurch Lernerfolge sichert.
Eine aufgeschlossene Lernumgebung sorgt für mehr Motivation und besseren Lernerfolg. Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, sind gruppendynamische Übungen zu Beginn. Die Qualität dieser Übungen ist bisweilen entscheidend für die Dynamik im Seminar selbst. Wir stellen Ihnen eine Eisbrecher-Übung vor.
Was ist ein Eisbrecher?
Laut Wörterbuch ist ein „Eisbrecher“ ein speziell konstruiertes Schiff, das die Eisdecke in der Arktis öffnet und eine Fahrrinne freibricht. Wie diese Schiffe anderen Schiffen den Weg bereiten, so sorgen Übungen oder Spiele zu Beginn dafür, dass sich Teilnehmende wohl fühlen. Außerdem regen sie Gespräche an. Eisbrecher zielen im Grunde darauf ab, das Kennenlernen zu fördern. Meistens beinhaltet dies die Vorstellung mit Namen und weiteren Informationen zur Person (z. B. Alter, Grund der Teilnahme).[1]
Oft werden Übungen oder Spiele gewählt, die von einer niedrigen Hemmschwelle zur Teilnahme ausgehen, um die „Latte nicht gleich zu hoch zu hängen“. Es gibt aber auch die Möglichkeit, mit einem Eisbrecher zu starten, der sowohl inhaltlich die Gruppe positioniert als auch die Gesprächsatmosphäre fördert und zudem die Umgangsformen in der Gruppe definiert. Hieran sollten sich nur Seminarleitende trauen, die gute Erfahrungen mit dieser Seminareröffnung gemacht haben oder die Gruppe gut einschätzen können. Auch eine gewisse Souveränität im Umgang mit möglichen Irritationen sollte vorhanden sein. Weniger sinnvoll sind diese anspruchsvollen Startübungen bei Abendveranstaltungen, die nur wenige Stunden dauern.
Beispiel für einen Eisbrecher
Methodisch läuft die Übung wie folgt: Der Seminarleiter teilt die Gruppe, wenn ausreichend Teilnehmer vorhanden sind, in Untergruppen zu vier oder fünf Personen. Das ist eine Gruppenstärke, die eine qualitativ zielführende Diskussion unterstützt. Die Untergruppen sind wegen des Geräuschpegels möglichst weit auseinander zu setzen. Dafür reicht normalerweise das Zusammenschieben von zwei Tischen in den Ecken des Seminarraums. Männer und Frauen werden gleichmäßig in die Gruppen eingeteilt, damit keine geschlechtsspezifischen Gruppen entstehen - es sei denn, dies ist aufgrund des Seminarinhalts gewollt und reizvoll. Zudem sollten altersgemischte Gruppen entstehen Lesen Sie dazu auch den Wissensbaustein “Intergenerationelles Lernen”.
Nehmen Paare an der Fortbildungsveranstaltung teil, ist es ratsam, diese auf die Gruppen aufzuteilen. Die Seminarleitung sollte die Beweggründe transparent machen, also vorab erklären, warum bestimmte Personen nicht mit anderen Personen in eine Gruppe gehen.
Arbeitsanweisung
Alle Teilnehmenden erhalten einen Zettel mit zehn Punkten (Liste siehe ganz unten). In einer Stillphase von ca. 5 bis 10 Minuten haben nun alle Zeit, sich Gedanken darüber zu machen. Unter der Fragestellung: „Was macht eine Gruppenarbeit erfolgreich?“ können alle ohne Absprache mit anderen Seminarteilnehmenden ihr Ranking festlegen. Dabei ist darauf zu achten, dass die eher langsamen Teilnehmenden genügend Zeit erhalten und nicht unter Druck gesetzt werden. Sind alle mit ihrem eigenen Ranking durch, setzen sich die Gruppen in ihrer Struktur zusammen und erhalten ein vorgegebenes Zeitfenster, um eine Gruppenreihenfolge (Gruppen-Ranking) aufzustellen. Dabei werden alle Gruppenmitglieder gebeten, sich zu beteiligen. Jeder möge seine Favoriten vertreten, andererseits aber auch nicht beratungsresistent sein. Das Gruppenergebnis spiegelt bestenfalls die Meinung aller Personen in der Gruppe wider. Das Zeitfenster kann je nach Grundkonzept des Tages von 20 bis 45 Minuten variieren. Endlose Debatten sind ebenso zu vermeiden wie vorschnelle Matrix-Lösungen, in denen ein Teilnehmer einfach eine mathematische Lösung ermittelt und jede Diskussion damit obsolet macht.
Feedback
Nach der Übung folgt die Auswertung. Denkbar ist es, ein Augenmerk auf die verschiedenen Ebenen zu richten, die diskutiert wurden, wie etwa die Beziehungs- und die Ergebnisebene. Ferner kann sich das Feedback auf die Atmosphäre während der Gruppendiskussion fokussieren. Denkbar ist auch, sich die Ergebnisse anzuschauen und die Wichtigkeit verschiedener Punkte für die weiteren Tage der Fortbildung zu thematisieren. Auch ein Vergleich der Ergebnisse verschiedener Gruppen erscheint sinnvoll, weil alle Personen letztlich eine große Gruppe sind. Die Ausrichtung dieser Übung hängt vom Seminarleiter ab. Er kann es vorher erklären oder schauen, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind und dann entscheiden, in welche Richtung das Feedback gelenkt wird.
Was macht eine Gruppenarbeit erfolgreich?
Ordne die 10 Punkte nach Wichtigkeit von 1 bis 10
- Wenn einer die Verantwortung trägt
- Konkurrenz unter den Gruppenmitgliedern
- Jeder darf ausreden
- Alle sind für das Gruppenklima verantwortlich
- Alles wird besprochen, alle haben die gleichen Infos
- Der Gruppenleiter trifft die Entscheidungen
- Konflikte werden vermieden
- Konflikte werden ausgetragen
- Wer sich nicht beteiligt, hat einen schweren Stand
- Es wird darauf geachtet, wer was kann und die Arbeit geteilt
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[1] Eisbrecher sind nicht mit Teamentwicklungsübungen zu verwechseln. Eine Gruppe in der VHS, die sich an einem Samstag von 10 bis 17 Uhr trifft, ist nicht zwingend ein Team. Teamentwicklungsübungen verfolgen das Ziel, die Bindung innerhalb der Gruppe zu fördern und diese zu einem Team zu machen. Im Gegensatz zu Eisbrechern werden sie eingesetzt, wenn die Gruppenmitglieder bereits die Namen der anderen kennen, eventuell persönliche Informationen erfahren haben und der Schwerpunkt auf der Stärkung des Zusammenhalts in der Gruppe liegt.