ProfilPASS
Stärken erkennen – Stärken nutzen
Schulwissen und Zertifikate – die Fähigkeiten eines Menschen umfassen weit mehr als das. Wie aber ermittelt man diese? Hier kommt der ProfilPASS ins Spiel. Beratenden stehen mit diesem Instrument Jugendlichen und Erwachsenen in Entscheidungsprozessen bei Übergängen und Neuorientierungen mit ihrer Expertise zur Seite. (3. überarbeitete Auflage, Januar 2022)
DefinitionWas ist das?
Der ProfilPASS dient der Kompetenzermittlung und -dokumentation im Rahmen lebenslanger Lernprozesse. Er erfasst informell und non-formal erworbene Kompetenzen, macht diese sichtbar und dokumentiert diese. Sie werden z. B. durch Freizeitaktivitäten, durch ein ehrenamtliches Engagement oder im Freundes- bzw. Familienkreis erworben. Diese Kompetenzen ergänzen die in Zeugnissen und Zertifikaten festgehaltenen Fertigkeiten und Fähigkeiten.
GeschichteWoher kommt das?
Seit Mitte der 1990er Jahre entstanden in der Wissenschaft verschiedene Konzepte – national wie international – zur Messung und Dokumentation individuell erworbener Kompetenzen. Vor allem auf europäischer Ebene suchte man nach Möglichkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen anzuerkennen, für die es keine Zertifikate gibt.
Initiiert durch das Projekt „Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens“ wurde der ProfilPASS in den Jahren 2002 bis 2012 in verschiedenen Projektphasen entwickelt und erprobt. Neben dem ProfilPASS für Erwachsene (2006) entstand der ProfilPASS für junge Menschen (2007). Beide Pässe sind deutschlandweit im Einsatz.
Seit 2018 wurden zielgruppenspezifische Versionen sowohl für die deutschlandweite als auch die internationale Nutzung und Verbreitung entwickelt, um besonderen Beratungsanforderungen und -situationen gerecht zu werden. Diese Adaptionen richten sich
- an neuzugewanderte Menschen - ProfilPASS in Einfacher Sprache
- an Menschen, die sich selbstständig machen wollen - ProfilPASS für die Selbstständigkeit
- an Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen - Barrierefreier ProfilPASS in leichter Sprache und
- an benachteiligte junge Erwachsene - ProfilPASS zum Durchstarten.
ProfilPÄSSE
Auf der Webseite „ProfilPASS: Stärken erkennen – Stärken nutzen“ finden Sie eine Übersicht über alle Passvarianten und deren Verfügbarkeit.
MerkmaleWie geht das?
Mit dem ProfilPASS wird ein persönliches Kompetenzprofil im Rahmen eines angeleiteten Reflexionsprozesses erarbeitet. Die systematische Analyse des ProfilPASS basiert auf zwei Säulen: dem ProfilPASS und der professionellen ProfilPASS-Beratung durch speziell geschulte und zertifizierte Beratende Im Rahmen des Reflexionsprozesses werden die Kompetenzen aus bedeutenden Lebensbereichen und Aktivitäten in vier Schritten abgeleitet:
- Benennen: Was habe ich gemacht?
- Beschreiben: Wie habe ich es gemacht?
- Auf den Punkt bringen: Was habe ich gelernt?
- Bewerten: Welches Kompetenzniveau habe ich erreicht?
Der ProfilPASS bietet eine strukturierte Sammlung von Materialien für die Reflexion der bisherigen Berufs- und Lebenserfahrungen, der Kompetenzen und der weiteren Lebensplanung. Die Begleitung dieses Reflexionsprozesses kann als Einzelberatung oder innerhalb einer Gruppe im Rahmen von speziellen ProfilPASS-Kursen stattfinden.
Info
Weitere Informationen zum ProfilPASS finden Sie im Blogbeitrag „Vom Heben der Schätze – Der ProfilPASS“.
HandlungsfelderWo brauche ich das?
Der ProfilPASS ist hilfreich in Entscheidungsprozessen der beruflichen Orientierung sowie der persönlichen Entwicklung. Dazu zählen:
- Berufsorientierung nach der Schule, im Studium und Berufswahl,
- berufliche Umorientierung,
- Wiedereinstieg in den Beruf, z. B. nach der Elternzeit,
- persönliche Entwicklung, z. B. die Suche nach einem passenden Ehrenamt,
- Übergangssituationen, z. B. Existenzgründungen oder Vorbereitung des Ruhestands.
DiskussionWas wird diskutiert?
Das Thema Online-Beratung war schon vor der COVID-19-Pandemie ein Diskussionsgegenstand. Mit den pandemiebedingten Einschränkungen und der Notwendigkeit zum Abstand bewahren erfährt die Online-Beratung einen Aufschwung. Zentraler Diskussionspunkt ist u.a. die Qualität der Beratungsangebote
Die Nationale Weiterbildungsstrategie (NWS) setzte sich laut dem Strategiepapier von 2019 das Ziel, „bestehende Beratungsangebote, insbesondere von Bund, Ländern, Kammern, Verbänden und Bildungswerken, zu einer flächendeckenden, qualitativ hochwertigen lebensbegleitenden Beratungsstruktur auszubauen und zu vernetzen“ (BMAS & BMBF, 2019, S. 10). Kommunale Beratungsangebote oder von Weiterbildungseinrichtungen wie z.B. Volkshochschulen werden nicht erwähnt. Im Fokus liegen Prüfaufträge für verschiedene Akteure. Der Umsetzungsbericht der NWS vom Juni 2021 (BMAS & BMBF 2021a, S. 30–31) nennt im Handlungsfeld 3 stärkere regionale Vernetzung von Weiterbildungsberatung als Ziel. Der Ausbau der Weiterbildungsberatung wird dem Bericht zufolge nicht weiter verfolgt.
Auf europäischer Ebene steht die Anerkennung informellen Lernens im Fokus der Diskussion. Beim Aufbau eines formalen Systems zur Kompetenzanerkennung in den europäischen Ländern zeigt sich, dass ein Verfahren in zwei Schritten benötigt wird:
- ein ergebnisoffener Ansatz der Selbstreflexion (erster Schritt) bietet die Grundlage für den späteren Abgleich der eigenen Kompetenzen mit dem anvisierten beruflichen oder
- mit dem hochschulischen Kompetenzprofil (zweiter Schritt).
Inwieweit der ProfilPASS bei dem im Deutschland zu etablierenden System der Kompetenzanerkennung zum Einsatz kommt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen.
Internationale BezügeWie sieht man das woanders?
Der ProfilPASS trifft nicht nur in Deutschland auf große Resonanz, sondern seit vielen Jahren auch im Ausland. Zuerst wurde im Rahmen des EU-Projektes „KISS“ (Know your interests – and show your skills! 10/2013-09/2015) der ProfilPASS in die Länder Frankreich, Griechenland, Irland, Spanien und Slowenien transferiert, um Abbruchquoten in Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen zu reduzieren. Seit 2011 fördert die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in mehreren Projekten die Verbreitung des ProfilPASS in Bosnien-Herzegowina.
Das EU-geförderte Projekt SCOUT (aSsessing Competences fOr fUTure) richtete sich an Beratende, die mit Neuzugewanderten arbeiten und diese in dem Prozess der Bewusstwerdung ihrer Kompetenzen unterstützen, indem verschiedene Hilfsmittel für den Beratungsprozess zur Verfügung gestellt werden (10/2017-09/2019).
Das EU-geförderte Projekt DISCOVER zielte auf die Förderung und Unterstützung einer professionellen Beratung für Existenzgründer*innen. Beratende, die mit dem ProfilPASS für die Selbstständigkeit arbeiten wollen, erhalten Unterstützung durch Leitfäden und Schulungsangebote, um potenzielle Gründer bestmöglich zu unterstützen. (10/2018- 01/2021)
Das EU-geförderte Projekt CORE (assessing COmpetences for REintegration) richtete sich an Beratende, die mit benachteiligten jungen Erwachsenen arbeiten, welche sich weder in (Aus-)Bildung noch in Beschäftigung befinden. Das Projekt verfolgt das Ziel, für diese Zielgruppe verschiedene Hilfsmittel für einen ressourcenorientierten Beratungsprozess zur Verfügung zu stellen. (10/2019-12/2021)
Das EU-geförderte Projekt COOCOU (COmpetence Oriented COUncelling for cognitively impaired persons) richtete sich an Beratende, die mit kognitiv beeinträchtigten Personen arbeiten (10/2019-12/2021).
Verwandte Begriffe
Kompetenzmessung, Lernen en passant, Kompetenzerfassung, non-formale Kompetenzen, informell erworbene Kompetenzen
Literaturliste
- Bosche, B. & Seusing, B. (2014). Der Profilpass im Unternehmen. Ein Leitfaden für die Praxis. Bielefeld: W. Bertelsmann. Abgerufen von www.die-bonn.de/doks/2014-kompetenz-01.pdf (28.07.2015)
Der Praxisleitfaden gibt Hilfen bei der Gewinnung von Unternehmen für den ProfilPASS und für die praktische Umsetzung im Beratungsprozess im Unternehmen. - Bosche, B.; Pielorz, M.; Raven, K. (Hrsg) (2021). Handbuch für die ProfilPASS Beratung. wbv Media GmbH & Co.KG
Das Praxishandbuch vermittelt theoretische und praktische Grundlagen zur Kompetenzfeststellung und -entwicklung, zu Beratungsansätzen und dem Beratungsverständnis für die Arbeit mit dem ProfilPASS. - nfb – Nationales Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung (Hrsg.). (2011). Qualitätsmerkmale guter Beratung. Abgerufen von http://www.forum-beratung.de/cms/upload/Veroeffentlichungen/ Eigene_Veroeffentlichungen/qmm_guter_Beratung_2011.pdf (04.11.2021)
Die Broschüre (Zwischenstand des Verbundprojekts) stellt Qualitätsmerkmale für den Beratungsprozess in Bildung, Beruf und Beschäftigung vor. In dem Projekt werden Standards bzw. Leitlinien für Qualität und Professionalität für die Akteure im Handlungsfeld Beratung entwickelt. - Gieseke, W./Pohlmann, C. (2016). Institutionelle Strukturen der Beratung. In: Gieseke, W./ Nittel, D. (Hrsg.). Handbuch Pädagogische Beratung über die Lebensspanne. Weinheim/München: Beltz Juventa, S. 412–424.
Das Referenzmodell bildet die Grundlage für die Koordination bildungsbereichs- und trägerübergreifender Bildungsberatung im Rahmen eines Bildungsmanagements auf kommunaler Ebene als Leitung Steuerung mit professioneller, heterarchischer Struktur. In dem Beitrag werden elf Vernetzungsschritte zur Bildung eines Netzwerkes für Bildungsberatung aufgelistet. Im Rahmen der Projektförderung bildeten sich zielgruppenspezifizierte Beratungsangebote wie zum Beispiel der ProfilPASS heraus. Es besteht weiterer Forschungsbedarf bzgl. der Nachhaltigkeit der Organisationsstrukturen
Bosche, B., Hülsmann, K., Neß, H. & Seidel, S. (2017). ProfilPASS – Kompetenzen ermitteln und bilanzieren. In: Erpenbeck, J., von Rosenstiel, L., Grote, S. & Sauter, W. (Hrsg.), Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis (S. 29-47). Stuttgart: Schäffer-Pöschel.
Bosche, B. & Seusing, B. (2014). Der ProfilPASS im Unternehmen. Ein Leitfaden für die Praxis. Bielefeld: W. Bertelsmann. Abgerufen von www.die-bonn.de/doks/2014-kompetenz-01.pdf (28.07.2015)
Brandstetter, G. & Kellner, W. (2014). Die Kompetenz+Beratung. Ein Leitfaden. Abgerufen von https://erwachsenenbildung.at/downloads/service/DieKompetenzBeratung.EinLeitfaden.pdf (28.07.2015)
Bundesministerium für Arbeit und Soziales & Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.)(2019). Wissen Teilen. Zukunft gestalten. Zusammen Wachsen. Nationale Weiterbildungsstrategie. O.O.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales & Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.)(2021). Wissen Teilen. Zukunft gestalten. Zusammen Wachsen. Nationale Weiterbildungsstrategie. Umsetzungsbericht.. Bonn: BMBF.
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung & Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung (Hrsg.)(2007). ProfilPASS für junge Menschen. Bielefeld: W. Bertelsmann.
Harp, S., Pielorz, M., Seidel, S., & Seusing, B. (Hrsg.) (2010). Praxisbuch ProfilPASS – Ressourcenorientierte Beratung für Bildung und Beschäftigung. Bielefeld: W. Bertelsmann.
Bosche, B., Hülsmann, K., Neß, H. & Seidel, S. (2017). ProfilPASS – Kompetenzen ermitteln und bilanzieren. In: Erpenbeck, J., von Rosenstiel, L., Grote, S. & Sauter, W. (Hrsg.) , Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis (S. 29-47). Stuttgart: Schäffer-Pöschel.
Hülsmann, K., Kruse, N., & Seidel, S. (2015). Zwei, die sich ergänzen: ProfilPASS für junge Menschen und Berufswahlpass in der Berufsorientierung. Handreichung mit Erfahrungen und Anregungen aus der Praxis für die Praxis. Abgerufen von www.die-bonn.de/doks/2014-berufswahl-01.pdf (28.07.2015)
Seidel, S., Hülsmann, K., Reinshagen, G., & Walgert, E. (2014). ProfilPASS für junge Menschen. Einsatz in der Schule. Abgerufen von www.die-bonn.de/doks/2014-berufsberatung-01.pdf (31.07.2015)
Blogbeiträge auf EPALE
Bader, E. & , Garaca N. (2021). "assessing COmpetences for REintegration" – erste Ergebnisse und entwickelte Materialien aus dem Erasmus+ Projekt CORE | EPALE (europa.eu). Abgerufen am 04.11.2021
Jordanoski, G. (2020). COmpetence Oriented COUnselling for cognitively impaired people – Erste Ergebnisse des Erasmus+-Projekts „COOCOU“. Abgerufen am 04.11.2021
Haferburg, S. (2019). Kompetenzbezogene Biografiearbeit in Justizvollzugsanstalten – ein Interview zum Einsatz des ProfilPASS. Abgerufen am 04.11.2021
Das ProfilPASS-System
In dem anschließenden Video erklärt Katrin Hülsmann, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e. V. (DIE), das neue ProfilPASS-System. Mit den folgenden Sprungmarken können Sie direkt in die einzelnen Kapitel einsteigen.