Wissensbaustein

Scientific Dialogic Gatherings

Wissenschaft mit allen und für alle – geht das?

Wissenschaftliche Erkenntnisse können in der heutigen Zeit oftmals relevant für individuelle und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse sein. Wer auf diese Erkenntnisse zurückgreift, kann davon in seinem/ihren Alltag profitieren. Scientific Dialogic Gatherings (SDGs, wissenschaftliche Dialogveranstaltungen) zeigen, wie jeder von wissenschaftlichen Texten lernen kann.

DefinitionWas ist das?

Der Begriff Scientific Dialogic Gathering beschreibt eine partizipative und zugleich inklusionsfördernde Methode. In SDGs diskutieren und reflektieren die Teilnehmenden – basierenden auf den sieben Prinzipien des Dialogic Learning (Egalitärer Dialog, Kulturelle Intelligenz, Transformation, Instrumentelle Dimension, Meinungsbildung, Solidarität und Gleichheit der Unterschiede) – gemeinschaftlich wissenschaftliche Arbeiten und Artikel. SDGs ermöglichen den Teilnehmenden nicht nur den Erwerb von wissenschaftlichem Wissen, sondern auch von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die helfen, wissenschaftliche Texte selbstständig zu verstehen und zu interpretieren. Darüber hinaus lernen die Teilnehmenden, mit anderen Meinungen respektvoll und anerkennend umzugehen.

GeschichteWoher kommt das?

Scientific Dialogic Gathering bezeichnet eine Methode, die auf dem Konzept des Dialogic Learning des Spaniers Ramon Flecha (1997, 2000) basiert. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass Menschen seit jeher durch Interaktion und Kommunikation voneinander lernen. Dialogic Gatherings (DGs) beschreiben in diesem Zusammenhang eine Methode, in der durch Dialog Wissen untereinander geteilt und gemeinschaftlich mit allen Teilnehmenden erworben wird (Hussain, 2009). DGs gehören zu den sogenannten Successful Educational Actions (SEA) (s. Infobox). SDGs übertragen Dialogic Gatherings mit ihren sieben demokratischen und auf Gleichheit bedachten Prinzipien auf den Bereich der Wissenschaft.

Das bisher größte Forschungsprojekt in den Geistes- und Sozialwissenschaften, das von der Europäischen Kommission durchgeführt wurde – „Strategien für Integration und sozialen Zusammenhalt in Europa durch Bildung“ (2006-2011) –, identifizierte erfolgreiche Bildungsangebote (Successful Educational Actions, SEAs), die zur Verbesserung bildungspolitischer Maßnahmen bzw. Bildungsstrategien beitragen. SEAs unterscheiden sich von Best Practice, da sie universell übertragbar sind: Sie führen in unterschiedlichen Kontexten und bei heterogenen Bildungsniveaus zu ähnlichen Ergebnissen und leisten gleichzeitig einen Beitrag zu besserem Lernen und Solidarität unter den Teilnehmenden. Im Rahmen des Projektes wurden DGs aufgrund ihres gemeinschaftlichen Aufbaus von Wissen durch wissensbasierte Dialoge in vielen verschiedenen Bereichen, wie z.B. Literatur, Musik, Kunst und Mathematik, als SEAs definiert.

MerkmaleWie geht das?

Es ist nicht erforderlich, über wissenschaftliches oder akademisches Wissen zu verfügen, um ein Scientific Dialogic Gathering zu initiieren oder um daran teilzunehmen. Jeder/r kann an SDGs teilnehmen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft. Denn jede/r kann von originalen, wissenschaftlichen Texten lernen.

Wie initiiert man ein SDG?

In einem ersten Treffen von Personen, die an der Teilnahme an einem SDG interessiert sind, bzw. während eines ersten Dialogic Gatherings, führt zunächst jemand – zumeist ein/e Erwachsenenbildner/in – in das Format der SDGs ein. Es werden die sieben zugrundeliegenden Prinzipien und die Rolle des Moderators/der Moderatorin erläutert und das weitere Vorgehen besprochen.

Anschließend entscheiden die Teilnehmenden gemeinsam über folgende Dinge:

  • Es wird gemeinsam und dialogisch ein wissenschaftlicher Text aus dem Bereich ausgewählt, der alle Teilnehmenden interessiert und den alle besprechen möchten. Jede/r kann Vorschläge machen.
  • Es wird gemeinsam entschieden, welche Kapitel und/oder Paragraphen für das erste bzw. nächste Gathering gelesen werden.
  • Es wird gemeinsam ein Moderator/eine Moderatorin gewählt.
  • Es werden gemeinsam der Ort und die Zeit für das nächste Treffen festgesetzt.

Infobox

In der Praxis hat sich bewährt, dass der/die Erwachsenenbildner/in für das allererste Treffen mögliche Themenvorschläge mitbringt; oder, wenn es das allererste Gathering ist, einige Textvorschläge/Artikel zu unterschiedlichen Themen präsentiert, damit das Gathering beginnen kann. Vorschläge der Teilnehmenden sind jedoch stets prioritär zu behandeln.

Für das eigentliche Gathering ist dann Folgendes zu tun:

  • Alle lesen die abgesprochenen Textpassagen. Falls nötig, können sich die Leser/innen Zusatzinformationen (z.B. über das Internet, in einer Bibliothek, in einem Wörterbuch) besorgen, um den Text besser zu verstehen.
  • Alle markieren diejenigen Textstellen, die sie ansprechen, die sie interessant finden oder die ihnen besonders gefallen. Es gehört zum Ansatz der Gatherings, dass jede/r Teilnehmende mindestens eine Textstelle markiert. In jedem Gathering werden die markierten Stellen vorgelesen und gemeinsam diskutiert.

Falls es sich um das aller erste Treffen handelt und erst in diesem ein Text ausgesucht wurde, kann der Text vor Ort von allen gelesen werden (Tipp: genug Zeit einräumen und Stifte zum Markieren bereitstellen). Nach dem ersten Gathering werden die ausgewählten Texte stets als Vorbereitung zu Hause gelesen, so dass das eigentliche Gathering, das Diskutieren, direkt beginnen kann (nach Klärung von Fragen zum Text, z. B. nach Wortbedeutungen).

In diesem Video sehen Sie, wie ein Text für ein Gathering vorbereitet wird.

 (Video: © DIE)

Was geschieht während eines Gatherings?

  • Der Moderator/Die Moderatorin eröffnet das Gathering in dem er/sie fragt, wer gerne seine/ihre ausgewählte Textstelle vorstellen möchte. Der Moderator/Die Moderatorin erstellt eine Liste mit denjenigen Teilnehmenden, die etwas sagen möchten (Redeliste) und erteilt dem ersten/der ersten, der/die sich gemeldet hat, das Wort. Melden sich gleich zu Beginn mehrere Teilnehmende, wird die Textstelle bevorzugt, die als Erstes im Text auftaucht (logische Reihenfolge).
  • Die Person, die an der Reihe ist, liest die Textstelle, die sie ausgesucht hat, laut vor, während die anderen Teilnehmenden zuhören. Anschließend erklärt die Person, warum sie diese Textstelle ausgewählt hat und teilt seine/ihre Gedanken dazu mit den anderen Teilnehmenden.
  • Danach fragt der Moderator/die Moderatorin, ob jemand der Anwesenden etwas zu dieser Textstelle ergänzen bzw. etwas kommentieren möchte und erteilt das Wort. Auf diese Weise können unterschiedliche Erfahrungen mit der Textstelle und unterschiedliche Interpretationen ausgetauscht werden. Wenn alle, die etwas beitragen wollten, an der Reihe waren, fragt der Moderator/die Moderatorin, ob die Teilnehmenden einverstanden sind, zur nächsten Textstelle zu wechseln.
  • Wenn dies der Fall ist, fragt der Moderator/die Moderatorin, ob jemand auf derselben Seite eine Textstelle ausgewählt hat, und der Vorgang startet von neuem (anhand der Reihenfolge der Seiten). Dabei stellt er/sie sicher, dass alle Teilnehmenden, die etwas beitragen möchten, auch an die Reihe kommen.
  • Niemand im Plenum wird gezwungen, einen Beitrag zu leisten. Aber diejenigen, die weniger oft etwas sagen, sollen von der Moderatorin/dem Moderator besonders berücksichtigt werden. Um dies zu erreichen, kann zum Beispiel eine kurze (Blitzlicht-) Runde durchgeführt werden, in der jede/r Teilnehmende kurz seine/ihre Meinung, Auffassung und/oder Interpretation zu dem gerade Gelesenen äußert. Denjenigen, die weniger oft etwas beitragen, soll dann Vorrang gegenüber denen gegeben werden, die sehr viel zum Gathering beitragen.
  • Wenn das Gathering zu Ende ist, bestimmen alle zusammen die nächsten Kapitel oder den nächsten Artikel bzw. Text, die für die nächste Sitzung gelesen werden sollen. Somit startet der Prozess dann von neuem.

Ablauf

Ablauf einer Moderation

Allgemeiner Ablauf in einem SGD (Bild: © DIE 2017)

Was ist die Rolle des Moderators/der Moderatorin?

  • Der Moderator/die Moderatorin wird gemeinsam ausgewählt. Seine/Ihre Aufgabe ist es, die gleichberechtigte Teilhabe aller zu gewährleisten.
  • Es ist nicht notwendig, dass der/die Moderator/in Experte/in in einem wissenschaftlichen Fach ist, da er/sie keine Erläuterungen oder Erklärungen abgeben muss.
  • Er/Sie hat Kenntnisse über die regelgeleitete Durchführung und die Kriterien der SDGs, um das gemeinschaftliche Lernen/die gemeinschaftliche Meinungsbildung zu erleichtern.
  • Er/Sie trägt keine Verantwortung für die Diskussion und den Austausch, diese tragen die Teilnehmenden.
  • Er/Sie regelt die Reihenfolge der Meldungen und achtet darauf, dass Personen, die nicht gerne in der Öffentlichkeit sprechen, die Möglichkeit haben, etwas beizutragen.
    [Tipps und Tricks: Link zum Baustein ‚Anfangssituationen‘]
  • Er/Sie teilt die zur Verfügung stehende Zeit fair und gleichmäßig ein, d.h., er/sie moderiert die Dauer der Wortmeldungen/Beiträge, damit einzelne Teilnehmende nicht mit langen, zeitraubenden Beiträge die Diskussion beherrschen.
  • Er/Sie hält sich mit seiner/ihrer eigenen Meinung zurück und zwingt diese in keinem Fall den Teilnehmenden auf.
  • Er/Sie präsentiert oder erklärt nie die Inhalte.
  • Er/Sie beurteilt nie die Beiträge der Teilnehmenden.
  • Er/Sie befindet sich auf Augenhöhe mit den Teilnehmenden, es gibt keine Hierarchie.
  • Er/Sie baut eine Atmosphäre von egalitärem Dialog und Respekt auf.
  • Wenn zwei Personen eine parallele Unterhaltung beginnen, ist der Moderator/die Moderatorin dafür verantwortlich, die beiden dazu zu ermutigen, ihre Kommentare mit dem Rest der Teilnehmenden zu teilen und ihre Aufmerksamkeit wieder dem Gathering bzw. Plenum zu widmen.

Bei einer Schulung zur Methodik der SDGs am 17.08.2018 am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen in Bonn wiesen die Teilnehmenden – Erwachsenenbildner/inne/n aus der Praxis – daraufhin, dass es besser wäre, wenn der Moderator/die Moderatorin auch Kenntnisse über Moderationstechniken hätte. Insbesondere bei Themen, die sehr kontrovers diskutiert werden können (z.B. Rassismus, Homosexualität), benötige es ggf. einen Moderator/eine Moderatorin, der mit den richtigen Fragen und Interaktions-/Kommunikationstechniken die Diskussion lenken und auch kontroverse Meinungen moderieren kann.

Was sind die sieben Prinzipien?

Scientific Dialogic Gatherings (SDGs) basieren auf den sieben demokratischen und egalitären Prinzipien des Konzepts des Dialogic Learning (Flecha, 1997, 2000; Hussain, 2009).

Sieben Prinzipien Scientific Dialogic Gathering

Scientific Dialogic Gathering: Sieben Prinzipien 

Erläuterungen zu den einzelnen Prinzipien finden sie in unserem Online Guide zur Methode der SDGs und/oder hier als pdf-Datei zum Herunterladen.

 Die sieben Prinzipien bedeutet für die Durchführung u.a., dass…

  • …alle Meinungen respektiert werden.
  • …jede/r jede/n angemessen behandelt.
  • …alle Meinungen akzeptiert werden, vorausgesetzt, die Menschenrechte werden
       nicht verletzt.
  • …Wortwechsel immer respektiert werden.
  • …Meinungswechsel immer respektiert werden.
  • …jede/r etwas zum Dialog beitragen kann.

Zitate von Teilnehmer/inne/n eines SDG

„Wir lesen sehr wichtige Sachen, Artikel und Themen, das ist insbesondere für uns, die kein Universitätsstudium haben wichtig […] Die Annahme, dass wir solche Artikel nicht verstehen […] Denk nur, das ist falsch.”

„Am spannendsten fand ich es, wie verschiedene Personen dasselbe unterschiedlich erklären. Jede Ansicht ist wertvoll. Ich finde das toll.”

“Ich mag es besonders, weil du versuchst, deine Art und Weise zu sprechen zu kontrollieren […] In den Gatherings lernen wir, Wortwechsel zu respektieren. Das erscheint als sehr einfach, ist es aber nicht.” 

Was wird gelesen?

Die Teilnehmenden der SDGs sind diejenigen, die die zu lesenden Texte bzw. Arbeiten auswählen (also das Wissen, das geteilt werden soll). Die Auswahl sollte anhand folgender Vorschläge und Kriterien erfolgen:

  • Es sollten klassische wissenschaftliche Texte gewählt werden. Wenn aktuelle wissenschaftliche Texte gewählt werden, dann sollten sie in einer Zeitschrift mit wissenschaftlichem Einfluss publiziert und durch ein internationales wissenschaftliches Komitee beurteilt worden sein (peer-reviewed).
  • Die „impact classification“ von Zeitschriften sollte beachtet werden.
  • Es sollten solche Autor/inn/en gewählt werden, deren/dessen Beiträge weltweit Einfluss hatten/haben.
  • Die Arbeiten sollten einen gesellschaftlichen Einfluss haben.
  • Es sollten originale Texte sein, die zur originalen Arbeit eines Autors/einer Autorin gehören.
  • Die Arbeiten sollten Exzellenzkriterien erfüllen.
  • Falls es sich um Übersetzungen handelt, muss die Qualität der Übersetzung gewährleistet sein.
  • Die Fähigkeit der Teilnehmenden, an Texten mit einer gewissen Schwierigkeit zu arbeiten, sollte nicht unterschätzt werden, da bei dieser Methode durch das gemeinsame Nachdenken/Reflektieren die Möglichkeit zum Verstehen groß ist.
  • Die Texte müssen zugänglich sein (z.B. Bibliothek, Bereitstellen als Kopie). Es muss auf jeden Fall gesichert sein, dass niemand aufgrund seiner/ihrer ökonomischen Bedingungen von der Teilnahme an einem SDG ausgeschlossen ist.

Text- und Buchvorschläge finden Sie in unserem  Online Guide zur Methode der SDGs und/oder hier als pdf-Datei zum Herunterladen.

Texte  finden und auswählen

Bei einer Schulung der Methodik des SDGs im August 2018 kam die Frage auf, wie man ohne wissenschaftliche Expertise passende Texte für ein von den Teilnehmenden ausgesuchtes Thema findet und auswählt. Gibt es neben den geschilderten Kriterien noch weitere Aspekte, die hilfreich sein könnten? Wie kann man beurteilen, ob die Texte „gut“ sind? Es ist sinnvoll, auf die Quellen zu achten (Wo wurde es veröffentlicht?), auf die Bekanntheit der Autor/inn/en (z.B. Darwin, Galileo, Hawking) und/oder die Aktualität der Texte und Themen (Stichwort: instrumentelle Dimension). Der Text sollte vorher einmal gelesen werden, man sollte aber nicht davor zurückscheuen, auch vermeintlich schwere Texte zu verwenden, denn die Fähigkeit der Teilnehmenden, an Texten mit einer gewissen Schwierigkeit zu arbeiten, darf nicht unterschätzt werden. Nicht zuletzt ist auch Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten als Erwachsenenbildner/in gefragt, ein Gespür für die Zielgruppe und passende Texte zu haben oder zu entwickeln.

Lesefähigkeit der Teilnehmenden

Was ist, wenn die Teilnehmenden nicht lesen können? Die Methode an sich setzt voraus, dass eine gewisse Lesefähigkeit vorhanden ist. Menschen, die nicht gut lesen können, können trotzdem teilnehmen, da 1.) vor einem Gathering die Texte im eigenen Tempo gelesen werden können, 2.) die Teilnehmenden die Erfahrungen machen sollen, dass sie solche Texte verstehen können, 3.) sich die Teilnehmenden gegenseitig unterstützen (Solidarität) und überdies 4.) die Abschnitte, die diskutiert werden, vorher immer nochmal im Plenum vorgelesen werden, so dass mitdiskutiert werden kann, selbst wenn der Abschnitt nicht gelesen werden konnte. In der Diskussion während der Schulung kam die Idee auf, ggf. Videomaterial zu verwenden (z.B. Clips von Quarks & Co, Galileo, Sendung mit der Maus o.Ä.), um wissenschaftliche Themen auch in Alphabetisierungskursen besprechen zu können (um der instrumentellen Dimension Rechnung zu tragen).

HandlungsfelderWo brauche ich das?

Erwachsenenbildung hat u.a. die Aufgabe, die Teilhabe aller an wissenschaftlichem und technologischem Wissen zu fördern sowie Menschen dabei zu unterstützen, eine kritische Denkhaltung zu entwickeln. Dies wird mit der zunehmenden Bedeutung von wissenschaftlichem und technologischem Wissen in der Gesellschaft eine wachsende Herausforderung, um jedem/jeder die Partizipation an Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen zu ermöglichen.

SDGs erleichtern den Zugang zu wissenschaftlichem Wissen für alle Erwachsene, insbesondere aber für von Ausgrenzung bedrohte Bevölkerungsgruppen. Sie basieren auf einer Methode, die zum autonomen Verstehen, Interpretieren und Analysieren von wissenschaftlichem Wissen befähigt.

SDGs können von Erwachsenenbildungsorganisationen als alternativer methodischer Ansatz für Themen wie Biologie, Chemie und Mathematik initiiert werden oder von Teilnehmenden, die Interesse daran haben, sich stärker mit wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Sie sind dabei nicht auf Naturwissenschaften beschränkt. Vielmehr können SDGs alle Bereiche wissenschaftlichen, von Menschen erzeugten Wissens umfassen (z.B. Ingenieurswesen und Technik, Lebenswissenschaften, Sozial- und Gesellschaftswissenschaften).

SDGs sind ein eigenständiges Format. Sie können aber auch im Rahmen von bereits bestehenden Kursen als Methode eingesetzt werden. In SDGs ist die Teilnahme von Menschen mit niedrigem Bildungsniveau besonders erwünscht, verbunden mit dem Ziel, eine zugleich stärkende und inklusionsfördernde Umgebung zu schaffen.

Zitate von Teilnehmer/inne/n eines SDG

„Am Anfang hatte ich ein bisschen Angst, an den Scientific Gatherings teilzunehmen, weil ich keinen so umfangreichen wissenschaftlichen Wortschatz habe. […] und ich sagte, dass ich nichts wissen würde. […] Wenn ich es lese, dann interpretiere ich es auf meine Art und Weise, anhand meiner Sprachfähigkeit. […] Wenn wir es diskutieren […] dann lernt man Dinge, die man sich selber nie gefragt hätte.”

„Seit ich an dem Projekt teilnehme, schaue ich im Internet mehr nach wissenschaftlichen Themen und ich suche besonders nach der Erklärung von spezifischen Wörtern, das erweitert mein Verständnis und meinen Wortschatz.”

“Nach dem Treffen hatte ich mehr Selbstvertrauen. Ich habe meinen Wortschatz erweitert und kann meinen Standpunkt nun zu einer Arbeit besser auf den Punkt bringen.”

DiskussionWas wird diskutiert?

Empirische Studien spezifisch zu SDGs (und ihren zugrundeliegenden Prinzipien) sind im deutschsprachigen Raum bisher nicht vorhanden. Im Gegensatz zur spezifischen Methodik der SDGs finden sich aber zahlreiche Studien zum Dialogischen Lernen, vornehmlich im schulischen Kontext. Dass ein dialogischer Ansatz das kritische Denken von Schülerinnen und Schülern fördern kann, belegt zum Beispiel eine Studie von Frijters und Kollegen (Frijeters, ten Dam & Rijlaarsdam, 2008). Und im Handbook of Research on Education and Technology in a Changing Society (Wang, 2014) wird die Bedeutung von dialogischem Lernen herausgestellt und die mögliche Förderung dieser Form des Lernens beispielsweisedurch soziale Medien thematisiert (vgl. Yang, 2014, S. 909-921).

Theoretische Anknüpfungspunkte mit anderen Theorien und Ansätzen, die den Dialog als bedeutsam herausstellen (wie z.B. von Habermas, Vygotsky oder Bakhtin), zeigt Soler-Gallart (2004) auf. Daneben finden sich auch internationale Arbeiten, die die Wirksamkeit von Dialogic Gatherings bzw. deren Prinzipien belegen (z.B. Racionero Plaza, 2010; García-Carrión, 2015; Oliver et al., 2011; Puigvert et al., 2012).

Internationale BezügeWie sieht man das woanders?

Die Arbeit im La Verneda (Agora), einem Zentrum für Erwachsenenbildung im Bezirk Sant Martí in Barcelona, basiert auf einigen Kernprinzipien des Dialogic Learning. Hier finden Dialogic Gatherings zu unterschiedlichen Themen statt (z.B. Literary Dialogic Gatherings, Musical Dialogic Gatherings, Mental Health Gatherings). Überdies hat die dialogische Ausrichtung von Lehr-/Lernsituationen schon Einzug in einige spanische Schulen gefunden.

Studienzirkel (Study Circles) haben u.a. in Schweden eine lange Tradition und sind in ihrem Format den Dialogic Gatherings ähnlich. Sie tragen zur Demokratisierung von Wissen bei und umfassen „Gespräche zwischen gleichberechtigten Teilnehmern und die gemeinsame Suche nach Wissen“ (Karlsson, 1988, S. 51 nach Wahl, 2015, S. 44).

Innerhalb der politischen Bildung gibt es das Format der Demokratiewerkstatt (z.B. der Bildungspartner Main-Kinzig). Auch hier geht es darum, gemeinschaftlich zu lernen, zu diskutieren und zu gestalten. Alle sind als Teilnehmende willkommen, eine Vielfalt an Perspektiven ist erwünscht. Es werden individuelle und gemeinschaftliche Lernprozesse angestoßen mit dem Ziel, gemeinsam die demokratische Kultur zu stärken und scheinbar unvereinbare Positionen in Einklang zu bringen. Weiter Informationen hierzu finden Sie hier.

DEMOKRATIE WERKSTÄTTEN

  • Konzept
  • Erklärfilm „Demokratiewerkstätten in der Erwachsenenbildung“
  • Leitfaden (geplant in 2024)

Das Format Literatur an Ort und Stelle, welches in der evangelischen Erwachsenenbildung entwickelt wurde, umfasst neben dem Besuch von Schauplätzen der Werke und/oder relevanter Orte der Autor/inn/en das Lesen und Diskutieren von Texten. 

WebseiteLiteratur an Ort und Stelle“)


Service

Verwandte Begriffe

Themenzentrierte Interaktion – TZI, Heterogene Lerngruppen, Methoden

Online Guide zu Scientific Dialogic Gatherings

- News

Online Guide zu Scientific Dialogic Gatherings
Lesen, reflektieren und diskutieren – der Online Guide zur Methodik der sogenannten Scientific Dialogic Gatherings (SDGs) wurde im Rahmen des Erasmus+-Projektes „ScienceLit: Scientific literacy for all!“ entwickelt. Er ist in  fünf Sprachen verfügbar (Englisch, Spanisch, Griechisch, Slowenisch, Deutsch) und erläutert anhand von Texten, (Animations-)Videos und einem kleinen Quiz die zugrundeliegende Prinzipien, die Durchführung und Umsetzung von SDGs.

Mehr

Zur Reflexion

  • Testen Sie Ihr Wissen zu SDGs in einem kurzen Quiz.
  • Teilen Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und/oder Gedanken zu SDGs, entweder hier auf wb-web, auf der Pinnwand unseres Online Guides  und/oder als Kommentar auf einen vorhandenen EPALE-Blogbeitrag, der den Begriff Lernen bei SDGs diskutiert.
  • Möchten Sie die Methode vermitteln? Hinweise für die Inhalte einer Schulung finden Sie hier.

Literaturliste


Quellen

Flecha, R. (1997). Compartiendo palabras: el aprendizaje de las personas adultas a través del diálogo. Barcelona: Paidós.

Flecha, R. (2000). Sharing Words. Theory and Practice of Dialogic Learning. Lanham: Rowman & Littlefield Publishers.

Frijters, S., Dam, G. & Rijlaarsdam, G. (2008). Effects of dialogic learning on value-loaded critical thinking. Learning and Instruction, 18(1), 66-82.

García-Carrión, R. (2015). What the Dialogic Literary Gathering Did for Me. Qualitative Inquiry, 21(10), 913-919. doi:10.1177/1077800415614305

Hussain, S. (2009). Das Konzept des Dialogic Learning/The Concept of Dialogic Learning: Good Practices aus Spanien/Good Practices from Spain. Verfügbar unter http://www.die-bonn.de/id/4240

Oliver, E., Botton, L., Soler, M., & Merrill, B. (2011). Cultural Intelligence to Overcome Educational Exclusion. Qualitative Inquiry, 17(3), 267-276. doi:10.1177/1077800410397805

Puigvert, L., Christou, M., & Holford, J. (2012). Critical Communicative Methodology: including vulnerable voices in research through dialogue. Cambridge Journal of Education, 42(4), 513-526. doi:10.1080/0305764X.2012.733341

Racionero Plaza, S. (2010). Egalitarian dialogue and instrumental dimension. Two principles of dialogic learning in the classroom. Psychology, Society, & Education, 2(1), 71-82.

Soler-Gallart, M. (2004). Reading to share: Accounting for others in dialogic literary gatherings. In M.-C. Bertau (Hrsg.), Aspects of the dialogue self (International cultural-historical human science, Vol. 11, S. 157-183). Berlin: Lehmanns Media.

Wahl, A. (2015). Lebenslanges Lernen: Inhalte für die Gegenwart und Zukunft. Eindrücke von demokratischem Lernen in Schweden. Die Österreichische Volkshochschule, 66(257), 42-45. http://magazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2016/01/OVH_Magazin_257_03_2015_MAIL.pdf#page=44

Wang, V. C. X. (Hrsg.) (2014). Handbook of Research on Education and Technology in a Changing Society. Hershey, Pennsylvania, USA: IGI Global.

Yang, J. (2014). Social Media's Potential to Facilitate Dialogic Learning. In V. C. X. Wang (Hrsg.), Handbook of Research on Education and Technology in a Changing Society (S. 909-921). Hershey, Pennsylvania, USA: IGI Global.


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